«Roth-Zeit. Eine Dieter Roth Retrospektive» ist eine grosse Übersichtsausstellung über das fünf Jahrzehnte umfassende Werk des 1998 verstorbenen Künstlers (geb. 1930 in Hannover): Gezeigt werden Zeichnungen, Grafik, Bücher, Gemälde, Objekte, Installationen, Filme und Videoarbeiten.
Dieter Roth war als bildender Künstler und Büchermacher, als Musiker und Filmemacher, als Dichter und Autor, als Kommunikator und Vermittler einer der wenigen Universalkünstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die konsequente, bald souverän eingesetzte, bald erlittene Gleichsetzung von Leben und Kunst prägt das gesamte Werk. Grundimpuls seines Schaffens war sein Verständnis von Zeit als Inbegriff und Ausdruck von Zufall, ständigem Wandel und Vergänglichkeit. Dieter Roth thematisiert die Prozesse von Wandel und Vergehen, nimmt sie aber nicht einfach hin und bildet sie ab, sondern ergründet sie und mischt sich in ihren Verlauf ein.
Das chaotische und geniale Universum des Rothschen Schaffens wird erlebbar. Die Ausstellung ist zugleich Spiegel einer individuellen Existenz wie einer ganzen Epoche.
Die Retrospektive beginnt mit den zeichnerischen und grafischen Anfängen von Dieter Roth in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. Höhepunkt dieser Anfangszeit ist das so genannte Solothurner Wandbild von 1952, eine Wettbewerbsarbeit von für den bisher im Kleinformat tätigen Roth ungewöhnlichen Ausmassen.
In den folgenden Jahren entstehen Arbeiten auf Papier, Gemälde und Bücher, die die Auseinandersetzung mit der damals in der Schweiz wieder viel diskutierten konkreten Kunst zeigen. Hier werden auch die Grundzüge seines gesamten Schaffens ablesbar. Es ist die Experimentierfreude und Intensität, mit welcher er eine künstlerische Idee umsetzt, sie in den unterschiedlichen Medien gleichzeitig erforscht und diese Recherche so weit vorantreibt, dass der ursprüngliche Ansatz im Erreichten kaum wiederzuerkennen ist. Ein zweites Merkmal ist das Gewicht, das die Sprache und das Buch in Roths Schaffen schon jetzt erhalten.
Die sechziger Jahre bringen eine totale Befreiung von formalen Konventionen und eine spektakuläre Expansion bis hin zu minderwertigen und vergänglichen Materialien. Entscheidend ist nicht die Materialprovokation, sondern die Schaffung eines neuen Vokabulars für den Diskurs von Werden und Vergehen, Explodieren und Verrotten, von Auftrumpfen und Verzweifeln. Eine einzigartige Sprach- und Bildwelt wird eröffnet und mit der Transformation der neuen Materialien hat Roth unter anderem eine völlig neue Form der Landschafts- und Naturgestaltung geschaffen.
In den Siebzigern legt Dieter Roth über viele Jahr hinweg systematisch Sammlungen verschiedenster Materialien, Skizzen oder dokumentarische Aufnahmen sämtlicher Häuser einer ganzen Stadt an, um diese in monumentalen Werken zu vereinigen. So wird nicht nur das Vergehen von Zeit erlebbar, sondern auch individuell oder kollektiv geprägte Zeiträume. In diese Periode fällt auch eine enorme grafische und zeichnerische Produktivität, mit der Roth zu einem begehrten Künstler wurde.
In der letzten Schaffensphase hat Roth die früher entwickelten Ansätze zur Vergänglichkeit und zum Selbstbildnis in fulminanten Höhepunkten zusammengeführt. Die monumentalen Installationen wie auch introspektive kleinformatige Werke, die Roth in Zusammenarbeit mit Familienmitgliedern und Freunden in den schon legendären Ausstellungen vorstellte (Holderbank 1992/1993, Wien 1995 und Marseille 1997), bilden den Kulminationspunkt seines Spätwerks.
Die Ausstellung wurde vom Schaulager Basel, in Zusammenarbeit mit der Tate Modern London, dem Museum of Modern Art New York und dem Museum Ludwig, Köln organisiert. Björn Roth, Sohn und langjähriger Mitarbeiter des Künstlers, begleitete die Planung und Realisierung. Die Dieter Roth Foundation Hamburg, eine vom Künstler selbst zusammengestellte, exemplarische Sammlung seines Werkes, fungierte als zentraler Leihgeber.