Die Performance Catasterism in Three Movements des international renommierten US-amerikanischen Künstlers und Filmemachers Matthew Barney (*1967) und des Komponisten Jonathan Bepler (*1959) wurde vom 22. bis 25. September während der Art Basel 2021 im Schaulager präsentiert. Das Projekt stützte sich auf Barneys und Beplers langjährige Zusammenarbeit mit renommierten MusikerInnen in experimentellen und unkonventionellen Settings.
Die Performance setzte sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Matthew Barneys Skulpturen und galvanisierte Kupferreliefs; Gerätschaften wie zum Beispiel ein Vermessungsstativ und ein Scharfschützengewehr in militärischem Tarnfarbenkleid; Jonathan Beplers symphonische Komposition, aufgeführt von der Basel Sinfonietta unter der Leitung von Jack Sheen; die Choreographie, die Barney zusammen mit der Performancekünstlerin K.J. Holmes und der Reifentänzerin Sandra Lamouche entworfen hat; und ein Gemälde des in Deutschland geborenen US-Landschaftsmalers Albert Bierstadt aus dem 19. Jahrhundert. In der Aufführung fügten sich die unterschiedlichen Elemente nach Art eines Gesamtkunstwerks zu einem Ganzen.
Die ikonische Architektur des Schaulagers, ein hochspezialisiertes Haus zur Konservierung und Lagerung zeitgenössischer Kunst, spielte dabei eine wichtige Rolle. Es war nicht nur die Bühne für die DarstellerInnen und die verschiedenen Szenen. Vielmehr verwandelte es sich in einen monumentalen Klangkörper, dessen riesige Räume und einzigartige Atmosphäre von den MusikerInnen mit ihren Instrumenten akustisch ausgelotet wurden. Die Skulpturen und Objekte waren Teil dieser Transformation. Sie erweiterten den Umfang der Erzählung und markierten die Stationen der Aufführung, die sich durch Raum und Zeit bewegte. Im Verlauf der dreiteiligen, rund 90-minütigen Performance folgte das Publikum den Performerinnen und MusikerInnen auf deren Weg durch das Erdgeschoss und das untere Atrium des Schaulagers.
Die gesamte Veranstaltung enthielt weder Dialoge noch folgte sie einer linearen Narration; die Figuren kommunizierten und reagierten aufeinander durch eine Choreographie von Bewegungsabfolgen und visuellen Achsen. Ton und Bewegung, mal mit minimalen Impulsen und reduzierten Gesten, mal volltönend und ausladend, schufen eine hochkonzentrierte Atmosphäre und sorgten für eine intensivierte Wahrnehmung.
Ein Katasterismus erzählt die Geschichte, wie ein mythologischer Held in ein Sternbild verwandelt wird; in seiner grundlegendsten Definition meint der Begriff eine «Platzierung inmitten der Sterne». Die künstlerische Produktion, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur sowie die Transformation von Materie und Medien waren weitere Themen, die in Catasterism in Three Movements mitschwangen.
Das Projekt setzte eine Reihe von Auftragsarbeiten fort, die die Laurenz-Stiftung, Basel, seit ihrer Gründung neben grossen Ausstellungen im Schaulager initiiert und ermöglicht hat.
- Playbill Catasterism(pdf, 6.51 MB)
Part 1: Cadastre
(KATASTER Substantiv, m. oder n.: Grundbuch, amtliches Grundstücksverzeichnis. Eine Katasterparzelle ist ein zusammenhängendes Areal, das durch eine Reihe homogener Eigentumsrechte definiert ist)
Themen wie Landnutzung, Vermessung und Kartographie bestimmten den ersten Teil der Performance. Zu Beginn wurde der Raum des Schaulagers mit den Instrumenten erkundet. Die MusikerInnen standen weit voneinander entfernt, fast wie ein Wald, durch den der Wind rauscht: Einzelne Töne, verschiedenen Saiten entlockt, fanden so über mehrere Stationen zueinander und verbanden sich zu Tonfolgen. Drei laute, aufeinanderfolgende Gewehrschüsse bildeten ein eindrucksvolles akustisches Intermezzo. Albert Bierstadts Gemälde Sierra Nevada (1871–1873) nahm eine prominente Wand im Erdgeschoss ein, während Barneys Diana-Serie im Untergeschoss des Atriums installiert war. Sandra Lamouche, K.J. Holmes und Jill Bettonvil kartographierten und erkundeten den Raum mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln: Lamouche, in ihrer Rolle als Hoop Tänzerin, stellte eine Art Vermessungsinstrument auf und positionierte es immer wieder neu; Bettonvil, die Diana verkörpernd, hielt eine Schusswaffe in den Händen, ein Scharfschützengewehr mit einem grünen Laser. Mit einer Kupferplatte lenkte Holmes den grünen Laserstrahl des Gewehrs an die Wand, so dass er bis zur Decke beziehungsweise den Himmel hinauf gelangte.
Part 2: Catasterism Suite (for Orchestra with Sculpture)
(KATASTERISMEN-SUITE für Orchester mit Skulptur; Katasterismus, Substantiv, m.: Prozess, bei dem ein Held oder eine Heldin in ein Sternbild oder Himmelsobjekt verwandelt beziehungsweise unter die Sterne versetzt wird.)
Der zweite Teil wurde durch das Thema des eigentlichen Katasterismus bzw. der Metamorphose bestimmt, was durch die vielfältige Dynamik der Musik zum Ausdruck kam. Er fand in einem Raum statt, in dem die Basel Sinfonietta unter der Leitung von Jack Sheen in Orchesterbesetzung spielte. PlatzanweiserInnen geleiteten die BesucherInnen in den eigens aufgebauten Konzertsaal, wo das 50-köpfige Orchester Jonathan Beplers Komposition als Uraufführung spielte. Ausgangspunkt für Beplers Arbeit war die Skulptur Elk Creek Burn von Matthew Barney, die – zwischen Orchester und Publikum aufgestellt – ebenfalls im Raum gezeigt wurde. Im Gegensatz zu den reduzierten Tonfolgen und der weitläufigen Szenografie des ersten Teils fanden sich MusikerInnen, Publikum, Instrumente und Skulptur nun in einem intimen Raum mit höchster Konzentration zusammen. Die Interaktion zwischen den MusikerInnen sowie das Klangspektrum jedes einzelnen Instruments erzeugte eine verblüffende Klangvielfalt und Opulenz.
Part 3: Catastastis
(KATASTASIS Substantiv, f.: Höhepunkt und Vollendung der Verwicklung unmittelbar vor der Katastrophe im [antiken] Drama)
Im letzten Teil spielten die MusikerInnen räumlich über vier Stockwerke verteilt. Die Musik umschloss die Performerinnen, das Publikum und die Skulpturen mit einem sphärisch-harmonischen Klangteppich aus Violinen, Schlag- und Blasinstrumenten. Im Atrium begegneten sich die drei tanzenden Performerinnen. Jill Bettonvil, in der Rolle der Diana, führte mit ihrem Scharfschützengewehr eine Choreografie repetitiver Bewegungsabläufe aus. Daneben performte Sandra Lamouche in teils statischen, teils dynamischen Formationen einen Hoop Dance, eine Tanzform der Native Americans – ein beeindruckendes Sinnbild für die Balance und das Ineinandergreifen von Körper und Geist in einem holistischen Weltbild. Zwischen den beiden bewegte sich K.J. Holmes. Wie ein Spiegelbild nahm sie Formen und Figuren der anderen auf – eine Aneignung jeweils konträrer Wesenszüge.