«Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne, brenne auf mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht», sang der Künstler als Bub mit den anderen Kindern, wenn sie am St. Martinstag ihre Laternchen aus Käseschachteln und Butterbrotpapier an Stäben schwankend durch die Gassen trugen. Martin Honert nimmt Erinnerungen an seine Kindheit in die künstlerische Praxis mit. Für Laterne, die in einer grossen und in einer kleinen, ansonsten identischen Version existiert, bespannte er einen Kubus aus Aluminiumprofilen mit vier auf UV-Folie aufgezogenen Grossbilddias. Auf allen vier Schauseiten der zimmergrossen ‹Grosslaterne› sehen wir denselben quadratischen, von nächtlichem Blau dominierten Raum, der sich zu einem von Sternen übersäten Himmel öffnet. Jede Flanke zeigt die gleiche Situation aus jeweils anderer räumlicher Perspektive. So sehen wir den auf Kissen ruhenden Mann einmal von der Fussseite seines Betts, einmal von dessen Seite, einmal von hinten und schliesslich von der Fensterseite her. Es ist der Künstler selbst, der im Fernseher an der unteren Bettkante die Sendung *Spacenight verfolgt, welche seit 1994 auf dem Fernsehsender BR läuft und anstelle von Testbildern Satellitenaufnahmen der Erde ausstrahlt. Er ist offenbar gerade im Begriff, sich leicht aufzurichten.
Das Bildmotiv ist von der Gute-Nacht-Geschichte Der kleine Häwelmann (1849) von Theodor Storm inspiriert, die von einem Kind handelt, das unruhig in seinem Bett quengelt, weil es nicht einschlafen kann. Der Mond hilft ihm schliesslich, sodass er in seinem Bett durch die Welt segeln kann. Das geschlossene, in der Umgehung aber gleichzeitig auf allen vier Seiten offen einsehbare Zimmer verfügt irritierenderweise über eine zum Himmel hin offene Decke. Die krankenhausähnliche Situation strahlt Fürsorge aus, löst aber auch gleichzeitig ein Gefühl unbehaglichen Aus-gesetztseins aus. Die kindlich-träumerische Weltsicht kippt hier ins Unheimliche und trifft sich
im trickreichen Vermögen der bildenden Kunst, simultan zu zeigen, was eigentlich nicht gleichzeitig sein kann.
Martin Honert (*1953 Bottrop, Deutschland) gehört einer Generation von Kunstschaffenden an, die sich wie Katharina Fritsch oder Thomas Ruff (mit denen er 1995 den deutschen Pavillon an der Biennale in Venedig gestaltete) nach der Vorherrschaft der Abstraktion in den 1960er- und 1970er-Jahren wieder mit Fragen der Figuration beschäftigt. In seinen Arbeiten formt er meist eigene und kollektive Kindheitserinnerungen in aufwendig gestaltete, dreidimensionale Objekte.