Für die Videoinstallation Gamma drehten Jane und Louise Wilson auf dem seit 1992 stillgelegten amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Greenham Common in Berkshire, England. In den 1980er-Jahren versammelten sich dort Tausende von Aktivistinnen, die gegen die atomare Aufrüstung protestierten und ein Frauen-Friedenscamp auf dem Areal einrichteten, das dann fast zwanzig Jahre lang bestand. Die auf 16mm aufgenommenen Filmbilder zeichnen auf, was der verlassene Gebäudekomplex an Spuren jener Zeit gespeichert hat. Die Installation inspiziert die Inspektionsräume, kontrolliert die Kontrollräume und Sicherheitszonen und führt uns in die hinter der Sperrzone liegenden, «unantastbaren» Räume der Macht. Architektonische Details offenbaren Strukturen der Autorität und decodieren so eine paranoide Mentalität der Überwachung und Kontrolle. Jane und Louise Wilsons filmische Recherche operiert mit den Mitteln des Film noir: Schräge Kameraperspektiven, Spiegelungen, plötzlich einsetzende Geräusche. Die kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks realisierte Installation durchbricht militärische Überwachungs- und Kontrollstrategien und führt zu einer körperlich-immersiven filmischen Begegnung.
Gamma besteht aus zwei paarweise und raumhoch angeordneten Wandprojektionen, die sich in 90-Grad-Winkeln in gegenüberliegenden Ecken treffen. Diese architektonische Anordnung - zwei gleichzeitig gezeigte und miteinander verbundene Blickwinkel - widerspiegelt eine psychische Architektur. In der Mitte der Installation treffen wir auf eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven, auf Wechsel von subjektiven (was die Figur sieht) und objektiven (was die Kamera sieht) Einstellungen, suggestive Kamerafahrten sowie mit Spiegelungen und Doppelungen operierende Filmsequenzen. Wie im Auge eines Hurrikans, eingeschlossen und orientierungslos, sehen wir uns einer Architektur ausgesetzt, welche alle Bewegungen auf ein militärisches Interesse hin regulierte.
Jane and Louise Wilson (*1967, Newcastle upon Tyne, Grossbritannien) arbeiten schon seit ihrer Studienzeit als Geschwisterduo zusammen. Ende der 1990er-Jahre wurden sie vor allem mit ihren Multiscreen-Videoinstallationen bekannt. Ihre frühen Arbeiten konzentrierten sich oft auf die Mechanismen überwachter und verlassener Gebäude, um eine Art psychische Architektur zu enthüllen, die von der Präsenz und Ideologie der ursprünglichen Nutzung durchdrungen ist. Jane und Louise Wilson leben und arbeiten in England.