Der Titel Circular Breathing bezeichnet eine Atemtechnik, die Musikerinnen und Musiker beim Spielen von Horn- und Rohrblattinstrumenten anwenden, um einen kontinuierlichen Ton zu erzeugen, scheinbar ohne dabei einen Atemzug zu nehmen. Dieses Vorstellungsbild nahm der Künstler als Grundlage für seine Visualisierung einer langen Sequenz, bestehend aus fünf unscheinbaren Szenen, die mit mathematischer Präzision über das Projektionsfeld wandern.
Jede der fünf Szenen schaltet sich nacheinander von links nach rechts dazu. In diesem Prozess teilen sich die fünf Szenen gewissermassen die Zeit. Die erste Szene gleitet aus der linken Ecke des Raumes auf die Bildfläche. Kurz danach beginnt sie zu flimmern, während eine zweite, angrenzende Szene erscheint. Das Flimmern entsteht durch die Laufzeit, die sich die beiden Szenen teilen. Demnach verlangsamen zwei Szenen die Abspielgeschwindigkeit auf die Hälfte, drei Szenen auf einen Drittel, und so weiter. Sobald die fünf Szenen das Bildfeld ausfüllen, nähern sich die Bilder einer Art fotografischem Stillstand. Dann kehrt sich der Prozess um, die erste Szene (links) verschwindet, worauf die übrigen Szenen wieder an Geschwindigkeit zulegen. Jeder Wegfall einer Szene verleiht den verbleibenden Bildern mehr Tempo, bis die letzte Einstellung ganz rechts wieder in Echtzeit läuft. Zurück bleibt der Eindruck einer sich aufbauenden und wieder auflösenden Erzählung, die durch die sich aufeinander folgenden Szenen etwas Beunruhigendes hat: Bilder aus den Strassen von Tanger, ein Schiff auf dem offenen Meer und das Innere einer Moschee stehen neben einem Holz hackenden Mann und einer Zigarette, die langsam in einem Aschenbecher abbrennt. Eine ältere, lesende Frau und grosse, starke, eine Pistole ladende Hände entfalten sich neben Blattstielen und der Nahaufnahme eines Insekts, das seine Beute schleppt. In allen Segmenten taucht immer wieder das Bild von Frauenhänden auf, die auf einem Klavier spielen. Obwohl durch die Geschwindigkeitsänderungen verzerrt, lässt sich die Klaviermusik als Vexations von Eric Satie identifizieren.
Gary Hill (*1951 Santa Monica, Kalifornien, USA) ist ein konzeptionell arbeitender Medienkünstler und einer der Begründer der Videokunst in den 1970er-Jahren. Seine Arbeiten sind konsequent experimentell und prozesshaft und verbinden (oder trennen, je nach Lage der Dinge) die Punkte zwischen Wahrnehmung, Bewusstsein und Erinnerung. Durch den Einsatz elektronischer Medien, skulpturaler Elemente, Linguistik und deren Grenzbereiche manifestiert er eine Art viszerale Körperlichkeit zwischen Bild und Ton sowie Sprache und Schrift. Hill lebt und arbeitet in Seattle.