Der nackte Fuss war ein Fundstück: Gober erwarb in einem Auktionshaus ein anonymes anatomisches Skizzenbuch, angeblich mit Darstellungen aus dem Jahr 1885. Die etwas unbeholfene Zeichnung ohne Nachweis ihres Schöpfers ergänzte der Künstler: Ein kleines Fenster mit Gitterstäben öffnet den Ausblick auf einen rosa-bläulich gefärbten Abend- oder Morgenhimmel. Das Fenster mit Gitterstäben gehört als wiederkehrendes Element zur Ikonografie von Gobers Werk. Hier erscheint es auf einem angehobenen Fuss – zwei offenkundig nicht zusammengehörende Motive stossen aufeinander. Man denkt ans Zitat des Comte de Lautréamont (1846–1870), der das surrealistische Gebaren vorweggenommen hatte als «das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch». Aus dem Aufprall verschiedener Wirklichkeiten gehen neue Visionen und innere Bilder hervor. Gobers Collage liest sich ein wenig wie ein Rätsel: ‹Fussfessel› wäre eine Antwort darauf, oder ‹Fluchtversuch› und ‹Ausbruch›.
Robert Gober (*1954 Wallingford, Connecticut, USA) rührt seit den 1970er-Jahren mit seinen Werken an gesellschaftlich empfindlichen Themen wie Sexualität, Religion und Macht. Seine Kunst des Isolierens, Imitierens und Inszenierens gibt selbst alltäglichsten Gegenständen – etwa einem Waschbecken oder einem Hundekörbchen – mehrere, oft abgründige Bedeutungsebenen mit. Die Essenz seiner Arbeit geht immer aus dem Akt derHerstellung hervor. Robert Gober lebt und arbeitet in New York.