Es ist eine Endlosschlaufe zwischen Idyll und Inferno. In David Claerbouts spektakulärer 3D-Animation schenkt eine Waldwiese bei Vogelgezwitscher vertraute Ruhe, bevor die Stimmung umschlägt und das Waldgrün von einem Brand verschlungen wird. Die Katastrophe ist präzis aufgebaut: Als Störfaktor kündigt ein abgestorbener, gespaltener Baumstrunk den Wendepunkt an und führt wie ein Vorbote des Unheils die destruktive Kraft der nahenden Naturgewalt bereits vor Augen. Ein nicht mehr zu bändigendes Feuer wütet schliesslich in den Baumkronen, Rauch steigt zum Himmel auf, bevor der Loop aus der bedrohlichen Situation herausführt: Während unser Blick auf einer dunklen Wasseroberfläche ruht, setzen die Vogelstimmen wieder ein. Allmählich wird die Szenerie wieder heller, der Bildausschnitt steigt hoch zu den anfänglichen, grünen Baumkronen. Es ist, als hätten wir das Ereignis in Zeit und Raum einmal umkreist.
David Claerbout ergänzt den Werktitel mit einer Klammerbemerkung: meditation on fire. Still-stehende Flammen und Rauch, wie versteinert, werden scheinbar langsam von einer Kamera umfahren. Würden wir in der realen Situation reflexartig die Flucht ergreifen, schliesst Wildfire an die Kontemplation an, die wir kennen aus der Beobachtung gezähmter Flammen. Die Beziehung zwischen Mensch und Feuer ist ambivalent: Faszination, Wärme, Nahrungszubereitung stehen dem katastrophalen Szenario der Zerstörung gegenüber. Auch in Claerbouts Arbeit treffen Gegensätze wie Feuer und Wasser, heiss und kalt, Bedrohung und Beschaulichkeit aufeinander, wobei keine Seite von der gegensätzlichen Kraft ganz überwältigt wird.
Hinter der Panoramareise steckt ein ebenso komplexes wie flüchtiges Gebilde. Wildfire ist ein Rendering, also ein Modell aus digital konstruierten Bildern. Als Vorlage dienten Claerbout von Hand gefertigte Zeichnungen. In langer Vorbereitung entstanden Studien in Acrylfarbe sowie digitale Skizzen auf dem Tablet, bevor der Künstler die Vision mit seinem Team am Computer in Bewegung setzte. Die Projektion stellt sich als zeitbasierter Hybrid vor: Oszillierend zwischen Film und Fotografie, ist sie nicht zuletzt auch eng verwandt mit Skulptur.
David Claerbout (*1969 Kortrijk, Belgien) arbeitet an den Schnittstellen von Fotografie, Film und digitalen Medien. Der gelernte Kunstmaler erweiterte seine Arbeit früh um fotografische und filmische Techniken und machte zunehmend die Zeit zu seinem künstlerischen Thema. Seine Werke verschmelzen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verblüffenden Momenten zeitlicher Elastizität und werden so zu tiefgründigen und bewegenden philosophischen Betrachtungen unserer Wahrnehmung von Zeit und Realität, Erinnerung und Erfahrung, Wahrheit und Fiktion. Claerbout lebt und arbeitet in Antwerpen und Berlin.