Erfunden ist jedes einzelne Zuckerschloss und doch benannt nach einem ganz realen Ort. Das Comlongon Castle steht in Schottland, Schloss Steinsberg ist eine Ruine im bündnerischen Ardez, Schloss Herzberg erzählt Herrschaftsgeschichte im Landkreis Göttingen und Babelsberg vom historistischen Sommersitz des deutschen Kaisers Wilhelm I. Die scheinbar süsse Denkmalskunst erscheint auf Augenhöhe in Form von Torten, wie sie vor allem Kinderaugen im angelsächsischen Raum strahlen lassen. Die Lust am Dekor und der Reiz von Marzipan – als Ziegeldach, Blumenranke, Fenstergitter – überspielen heiter die Ernüchterung: Gina Fischli hat die Patisserie aus der aushärtenden Modelliermasse FIMO hergestellt. Geniessbar ist der ganze Zauber nicht, umso mehr entlarvt er unsere Erwartungen an eine ‹wahre› Kunst.
Die Künstlerin greift mit Vorliebe Klischees aus dem häuslichen Umfeld auf und verwandelt Objekte der Populärkultur mit schrägem Humor in Stolperfallen. Sie sieht die Erfahrung der Künstlerin, die produktiv sein will und ausstellen muss, als ein zuweilen schmerzhaftes Symptom unserer Konsumgesellschaft: Als solche verstehen wir’s geschickt, aus Wissen und Unwissen konfigurierte Begehrlichkeiten zu bedienen und gleichzeitig unseren Gewinn daraus zu ziehen. Die einem dilettantisch anmutenden Perfektionismus abgerungenen Tortenskulpturen sind ein scharfer Kommentar zum ‹survival of the fittest›, der auch den Wettbewerb der Kunst mitbestimmt.
Gina Fischli (*1989 Zürich, Schweiz) verarbeitet Klischees aus dem häuslichen Umfeld zu humorvollen Kunstobjekten; deren unmittelbare Verwandtschaft mit Konsumgütern, ihre Nähe zum Kitsch und ihre Anlehnung an eine Gegenständlichkeit aus der Populärkultur können als ironisch gebrochene Kritik an der Kunst und ihrem Markt verstanden werden: Verführung ist ein Faktor, um Begehrlichkeiten wachzuhalten, und gepaart mit Nostalgie kreuzt sich Konsumkritik mit einer ebenso unheimlichen wie idealtypischen Vision von Kindheit. Gina Fischli lebt und arbeitet in Zürich.